Dienstag, 20. März 2018

Die Qual der Wahl



Die Qual der Wahl
Artikel aus dem Journal der Lebensmission 1/2018 

Autoren beschreiben manchmal eine Lähmung als Schreibblockade, Künstler nennen es die fehlende Muse. Mein Team hat eine Art „Lähmung“ befallen, die mir als „Qual der Wahl“ erscheint, was im Folgenden erläutert werden soll. 

Tagtäglich stürmen vielfältige Anfragen auf uns Mitarbeiter der Lebensmission ein. Manchen kann man aus eigener Tasche rasch helfen, für andere Nöte braucht es Materialien, längere Beschaffungswege, Kontakte nach außen, einiges verlangt Zeit, Kreativität und Opfer. Vieles entscheidet man aus dem Bauch heraus, in einer Grundhaltung der Großzügigkeit.
„Lasst es euch nicht verdrießen Gutes zu tun“, heißt es in 2.Thessalonicher 3,13. und Sprüche 3,27 bestätigt: „Weigere dich nicht dem Bedürftigen Gutes zu tun, wenn Deine Hand es vermag.“  
Manchmal scheint es keine weltbewegende Handlung zu sein, doch häufig haben unsere Entscheidungen gravierende Auswirkungen auf das Leben der betroffenen Personen.  Hin zum Guten als Türöffner, oder als eine Blockade wie eine sich verschließende Tür. 

Die eine Familie hat ihr Grundstück noch nicht fertig abbezahlt, eine Andere hat Schwierigkeiten überhaupt legale Grundstückspapiere zu erhalten. Eine Dritte hat gar kein eigenes Grundstück. Die Geschichte der  Vierten kommt uns unschlüssig vor. Die Familie die alle Kriterien erfüllt hat ein Grundstück ohne Zugangswege, was unsere Fahrzeuge frühzeitig altern und  die Mannschaft schimpfen lässt, während sie alle Materialien eigenhändig den bergemporkletternd schleppen müssen- alles Kosten die das Haus um mehr als 1/3 verteuern würde. Manche sammeln schon Steine, begradigen unter Schweißperlen den Felsen, junge Männer graben eine schiefe Grube für eine Latrine. Andere sitzen da und warten ob da Hilfe kommen möge. Wie unterscheidet sich Passivität, Faulheit, Resignation und Hoffnungslosigkeit? Bei wem wird man urteilen, dass er aus eigener Kraft sich etwas aufbauen kann und keine Hilfe von außen nötig hat? Wen will man in seinen Bemühungen unterstützen, da er Motivation beweist aus dem wenig Vorhandenen etwas zu gestalten? Wer hat im Vergleich untereinander ein Haus am meisten „verdient“? Hinken denn nicht all diese Vergleiche, da es in den Slums immer Menschen gibt, die noch ärmlicher hausen und zugleich unzählige Menschen so viel luxuriöser wohnen? Sympathie und Antipathie, Zugang zu Kontakten als Vitamin B,… all das spielt stets mit rein. Selbstverständlich gibt es klare Kriterien, die solche Entscheidungen erleichtern durch eine Grundorientierung. Letztendlich bleibt jedoch immer ein gewisser Interpretationsspielraum. 

Wer bin ich, dass ich mir anmaße über das Leben anderer Personen zu entscheiden? – Eine Frage die mich schon so oft bewegt hat.         

Maßstäbe und Kriterien geben Orientierung. Es muss eine Wahl getroffen werden, da die Mittel begrenzt sind. Dennoch bleibt alles was gegeben werden kann ein Geschenk und damit Gnade.  Mein Schwiegervater erklärte mir mal: „Nur weil ich einer Person Gutes Tue, bedeutet es nicht im Umkehrschluss, dass ich der Anderen Person gegenüber Unrecht tue, nur weil ich ihr nicht das Gleiche gewähre.“ Das Gieskannenprinzip würde einem ganzen Viertel pro Person einen Zementsack schenken anstatt einer einzelnen Familie ein Haus zu bauen.  Dies geht völlig an unserer Projektvision vorbei. Logischerweise muss unser Team also eine Auswahl treffen, welche Familien eine Latrine und ein Spendenhaus erhalten – und damit auch welche nicht. Dies kann überfordernd sein und sogar zu Frustration führen, da man sich hiermit dem Gerede und den Vorwürfen anderer Personen aussetzt. Es könnte dazu führen, Dinge weniger entschlossen anzugehen. Ganz sicher weniger naiv. Gelähmt sein innerhalb dessen, was eigentlich Sinn macht, weil der Fokus sich auf zu vieles verschiebt und Druck entsteht, dem standzuhalten kaum möglich erscheint. Gesunde Intuition, Menschenkenntnis und geistliche Führung sind einer solchen lähmenden „Verkopfung“ entgegenzusetzen. Die entsprechende Prise Selbstbewusstsein nicht zu vergessen, die es ermöglicht manche Entscheidungen auch mit Gefahr auf Gegenwind zu treffen. 

In der Patenschaft ist es eine qualitative Schulbildung mit anschließender Ausbildung. Die Aufnahme im Kinderdorf als Waisenkind beinhaltet nochmal so viel mehr: umfassende medizinische Versorgung, fachliche Betreuungspersonen, kreative Freizeitgestaltung, Aufwachsen in christlicher Kommune etc. Die Nachbarin mit Kopfweh, die um Paracetamol bittet oder die Oma aus der Gemeinde, der wir eine Lesebrille schenken – diese Entscheidungen gehen so viel leichter von der Hand. 

Möge Gott uns Weisheit schenken, in diesen Situationen die richtige Wahl zu treffen. Kein Umstand, so überfordernd er in der Entscheidungsfindung sein mag soll zu Lähmung oder gar Stagnation führen. Gott möge unser Herz weich halten und sensibel machen, um nicht abzustumpfen angesichts der täglichen Nöte und manch aufgedeckter Lüge. 

Mögen wir stets im Blick behalten:
·        -  mit Freude zu geben
·        -  nichts zurückzuhalten und
·        -  uns am Fortschritt Anderer aufrichtig zu freuen




        

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen